Thomas Hinterholzer, FH Salzburg, was meintest Du nochmals beim Castlecamp 09 zum Thema Marke?
Thomas Hinterholzer:
Ich will im Folgenden Artikel kurz meine am „CastleCamp“ ’09 geäußerte These vorstellen. Diese äußerte ich in Kaprun nicht zuletzt, da ich eine in der entbrannten Destinationsmarkendiskussion nie in Frage gestellte implizite Grundannahme in Frage stellen wollte, bzw. hinterfragen.
Meine These könnte/dürfte naiv, ununtersucht, überfordernd, fad, unangenehm,… für die Diskussionsteilnehmer gewesen sein, denn sie griffen sie nicht mehr weiter auf im Plenum. In der Pause jedoch wurde noch darüber philosophiert, was mir Hoffnung gibt, doch einen Impuls geleistet zu haben.
Nun aber zur Grundannahme, die dazumals mitgeschwungen war, nämlich:
Wertemarketing sei im „Nation Branding“ der Weisheit letzter Schluss, bzw. per se schon als erfolgreicher einzustufen als das „klassische“ Produktmarketing. Denn dieses tritt ja immerhin auch in der Konsumgüterindustrie bei „wirklich“ erfolgreichen Markenartiklern (bspw. „Red Bull“) zunehmend in den Hintergrund. Und, was für den Güterproduzenten gut ist, kann für den Dienstleister nur recht sein.
Eine – wie ich finde zu – devote Haltung von uns Tourismusdienstleistern, wenn es darum geht, unsere jeweils aktuellen
Strategien im Vermarkten unserer Dienstleistungen zu verteidigen. Sofort wird mit Best-Practise-Beispielen, also mit Einzelfällen, aus dem Markenartikelhandel argumentiert.
Martin Schobert von der „Österreich Werbung“ stellte uns also vor, dass der Weg weg von der klassischen Zielgruppensegmentierung (geographische oder demographische Variablen waren hierfür die Einteilungskriterien)
hinzu soziodemographischen Clustern führt. Die ÖW hat sich hierfür die Kategorisierung nach den Sinus-Milieu’s der Fa. Sociovision gewählt und den „etablierten“ & „postmateriellen“ Menschen als Objekt der Begierde – als Zielgruppe
– ausgewählt.
„Familie mit Kindern“ bspw. als Zielgruppe alleine zu definieren reicht heute nicht mehr, vielmehr ist wichtig zu wissen nach welchen Motiven und Werteeinstellungen die Familie ihre Konsumentscheidungen trifft. Das Anbieten von schnöden „0-8-15“-Familienurlaubsangeboten sei Vergangenheit. Vor allem und ganz besonders gilt dies im Internet:
Weg vom Produkt hin zum (Mehr-) Wert.
Das Wertesetting, also wie der Tourist so „tickt“/denkt, muss natürlich bekannt sein, um ihm dann diese Werte offerieren zu können. Und die Personen, die solch Werte besitzen und leben, müssen operationalisierbar
(also im Marketing ansprechbar gemacht werden) sein. Aber das sind wieder andere Fragen/Gedanken. Die ÖW weiß wo sich die Postmateriellen und Etablierten herumtummeln, um ihnen streuungsverlustfrei und mit hoher Vorbild- & Nachahmewirkung für alle anderen Zielgruppen unsere postmateriell denkende Nation als Urlaubsdestination näher bringen zu können.
Gedankensprung: Ich saß also in der Diskussion — auf einer gemütlichen Couch übrigens — und neben dem Ansatz des Wertemarketings wurde auch Altbekannteres rund um das Thema „Marke“ ausgebreitet: „Die Marke hätte Leuchtturmfunktion und helfe dem Konsumenten sich bei der Kaufentscheidung zu orientieren“, „Die Marke ist ein
Qualitätsversprechen und mindere so das Kaufrisiko des Konsumenten“.
Stopp!
In der Diskussion tauchten also bis dato zwei Thesen auf:
These 1: „Wertemarketing ist state-of-the-art, auch im Destinationsmarketing! Übrigens: Als positiver Nebeneffekt können sich alle Leistungsträger in ihrer Kommunikation anschließen, was bei einer Produktmarketingstrategie nicht möglich wäre. Wir werben sozusagen auf nationaler Ebene mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Kein Leistungsträger kann/soll sich ausgeschlossen fühlen.“
These 2: „Die Marke ist ein Qualitätsversprechen. Dies muss eingelöst werden, um die Marke nachhaltig aufbauen/stärken zu können.“
Zwei Aussagen, die also anscheinend nebeneinander existieren können müssen?! Hier streckte ich dann meinen Arm empor und bat beim Moderator, Reinhard Lanner — GF der DMO Lammertal, um das Wort. Im Sinne argumentierte ich meine These wie folgt:
Keine Unzufriedenheit (=Mindestforderung des Konsumenten) entsteht, wenn Versprechen, welche dann gleich zu Kundenforderungen werden, eingelöst werden. Wir Österreicher versprechen nun aber keinen y Tage dauernden
Skiurlaub mehr zum Preis von x Euro mit Halbpension und Liftkarte, sondern Werte. Bspw. seien wir „kulturell“ sagt die ÖW, ad Personam Martin Schobert.
Die Firma „Red Bull“ verspricht bspw. u. a. „Sportlichkeit, legale Leistungssteigerung, Jugend“ und rekrutiert daher folgerichtig Personen, die diese Werte in sich tragen, sie leben und diese Mitarbeiter sind eben sportlich, jung(geblieben), leistungsstark. Jemand, der nicht in dieses Wertesetting passt und eher keine Schirmkappe mit Firmenlogo aufsetzen würde, erhält keinen Job oder eine Stelle, in der er nicht nach außen wirken kann.
Das Versprechen kann so eingelöst werden, die Firma ist authentisch, das Erleben der versprochenen Werte wird dem
Kunden bei jedem Kontakt ermöglicht, da er auf Mitarbeiter trifft, die eben so „ticken“ und das Produkt mit Werten — nämlich ihren — aufladen. Das Qualitätsversprechen wird eingelöst – eine Marke entsteht, sie hat Leuchtturmfunktion und mindert das Kaufrisiko. Ich weiß als Kunde, dass ich die versprochenen Werte erhalte.
Die Firma „Österreich“ kann sich seine Einwohner — Gott sei Dank — nicht aussuchen. Die ÖW kann nicht alle Österreicher „rekrutieren“ und auch deren Wertesetting nicht beeinflussen. Zu verschieden und vielfältig sind die Werte der Einwohner unseres Landes. Die ganze Wertelandkarte der Sinus Mileu’s ist vertreten! Nicht nur Postmaterielle wohnen in Österreich. Das Markenversprechen der ÖW, wirbt sie mit Werten, kann also nicht eingelöst werden, bzw. wird sich — wenn dann — zufällig und nicht steuerbar einlösen. Der postmaterielle Gast trifft bspw. auf einen
traditionsverwurzelten Liftwart und erlebt Österreich alles andere als postmateriell, was ihm aber versprochen wurde.
Löst man ein Versprechen nicht ein, weiß man aus der Kundenzufriedenheitsforschung um die Konsequenzen bescheid: Unzufriedenheit entsteht! Ein Markenaufbau scheint (mir) derart nicht steuerbar.
Meine These: Wertemarketing funktioniert daher ausschließlich bei Unternehmen, nicht bei Nationen, nicht im Destinationsmarketing.
Ja, Österreich steht u. a. für Mozart und das Neujahreskonzert! Aber deswegen ist bitte nicht gleich jeder Einwohner ein Kulturinteressierter! „Wir“ stehen nicht für Kultur, aber einige sind Musiker und dieses Produkt „Neujahreskonzert“) kann konsumiert werden. Wir Österreicher stehen für vieles, was dann eben in letzter Konsequenz wieder nichts ist. Der kleinste gemeinsame Nenner. Und da kann und wird keine klare Positionierung dabei herauskommen. Und sieht man sich die Werte der professionellen Tourismuswerber, die auf Wertemarketing setzen, an, sind dies überall dieselben. Es handelt sich um Pole — um Gegensatzpaare -, um alles und jeden zu vereinen. Auch die Schweiz ist „vielfältig“, genauso wie Südtirol und Österreich. Mozart hingegen lebte nur in Österreich, den „Schweizer Käse“ hat es nur in der Schweiz und die Tradition des Törggelen gibt es eben nur in Südtirol: Dies sind touristisch nutzbare „Produkte“, lasst uns diese
bewerben.
Denn der Tourismus ist kein steuerbares singuläres Unternehmen mit einheitlichem Wertesetting!“
Ich stimme nicht zu.
Es stimmt, dass nicht jeder Österreicher sich für Kultur interessiert – aber nicht jede Werbung für Österreich ist auf Kultur ausgerichtet. Eine Destination wird nicht mit einer einzelnen Geschichte (mit einem einzelnen Wert) vermarktet. Vielmehr werden Destinationen mit einer Vielzahl von Geschichten vermarktet und jede Geschichte übermittelt eigene Werte und sprechen daher auch verschiedene Gruppen an. Diese Vielzahl an Geschichten kombiniert ergeben die Facetten oder Schattierungen der Werte und Wertigkeiten einer jeden Destination.
Wertemarketing (Marketing durch Geschichten) vermenschlicht (humanizes) und gerade Tourismus kann und wird wirtschaftlich von diesem Trend profitieren.
Viele Wege führen nach Rom….., wenn wir wissen, dass wir nach Rom wollen
Es muß wohl Mitte der 8oer Jahre gewesen sein, als Gottfried Huber als neugebackener Deutschlanddirektor der ÖW argumentstark und wortgewaltig mit dem Sager “Alle Berge führen aufwärts!“ die bis dahin erfolgreichste Werbekampagne „Wanderbares Österreich“ in die Wüste (bzw. in die Berge) schickte. Wer erinnert sich heute noch an „Festland Österreich“, „Servus Österreich“, an die Wiederentdeckung der „Sommerfrische“ durch Klaus Lukas oder die Pinguine Joe und Sally von Arthur Oberascher. Jede dieser Aktionen hat zu einer mehr oder weniger heftig geführten Methoden-, Symbol- oder Inhaltsdiskussion der „Experten“ geführt. In Österreich weiß offensichtlich natürlich jeder, wie es geht – außer den Geschäftsführern der Österreich Werbung.
Um erfolgreiche Kommunikationspolitik zu betreiben geht es aber in erster Linie nicht um die richtige Methode, um einzigartige Inhalte und spektakuläre Aktionen. Kraft entsteht nämlich aus einer Orientierung, die auf gemeinsamen Wertvorstellungen, koordinierten Strategien und Kontinuität im Marktauftritt beruht.
Diese Wirkung kann ein vorhandenes, veröffentlichtes und nachvollziehbares Markenbild besser leisten als z.B. Joe und Sally, die uns aus der Südpolperspektive erzählten, wie schön Österreich sei! Ob sich dieses Markenbild an sozialen Motiven, Liftstyles , Milieugruppen oder gar an Zielgruppen orientiert, ist dabei (fast) sekundär.
Natürlich kann man/frau jetzt heftig darüber diskutieren, ob unsere Referenzmilieus die Modernen Performer, die Etablierten, die Postmateriellen oder die Bürgerliche Mitte sein sollten, es ist halt nur ein Denkmodell (und kein schlechtes), das uns zwingt, über gewisse Marktphänomene strukturiert nachzudenken. Es hilft uns auch, die eigene Position im Vergleich zur Dachmarkenkampagne sichtbar zu machen und damit kreative Spannung in der Produktentwicklung zu erzeugen. Und das ist ja schließlich der Sinn der Sache, mit best of – Qualitäten am Markt zu reüssieren.
Dass es in dieser Sache nicht um Markting, sondern um Markenmanagement geht, dass dieser Unterschied den Diskutanten klar ist, davon gehe ich aus.
Ich würde folgenden Unterschied sehen:
Bei den Qualitäten eines Produktes entscheidet eine einzelne Person oder ein Team. Gemeinsam legt man fest was und wie man etwas anbieten möchte.
Die Qualitäten einer Destination hängen aber von der dort lebenden Bevölkerung ab. Somit müsste man einen Weg finden wie man diese Bevölkerung in die Bewerbung einbindet.
Zentral gestaltete Plakate oder Spots würden selbst bei positiven Werten immer eine Einschränkung der Vielfalt bedeuten.
Eine interessante Lösungsmöglichkeit könnte man mit diesem Satz zusammen fassen:
100 Blogger, die zu 100 verschiedenen Aspekten eines Landes leidenschaftlich bloggen, können zum Image eines Landes mehr beitragen als ein auf wenige Kernwerte reduziertes Sujet auf einem Plakat.
Deshalb: Unterstützt die Blogger!
Auch die Österreich Werbung denkt über die Kompatibiltät von Marke und touristischem Angebot nach.
Das Markensymposium der Österreich Werbung
im Lentos der Kulturhauptstadt Linz am 13.10.2009 hat sich mit dem Markenthema „Sehnsucht Heimat“ befasst.
Armin Thurnher stellte gleich am Beginn die Frage, wie Heimat und Markentechnik zusammengehen, um am Ende den Vorschlag zu unterbreiten, anstatt von Heimat von „Homeseekness“ zu sprechen.
Heimat, ein verklärter Begriff, der Nachfrage schafft?
Aber „Je globaler und schnelllebiger unsere Welt wird, umso stärker ist die Rückbesinnung auf das Ursprüngliche…“( Stolba) Da diese Sehnsüchte offensichtlich gleicher Art bei Anbietern und Gästen vorhanden sind und die damit verbundenen Werte die Persönlichkeit Österreichs ausmachen, liegt es nahe, auch in der Marke dafür Raum zu schaffen. Ja vielleicht liegt hier mehr Potential als in einer Neuerfindung der Erholung in Form von „Rekreativer Inspiration“.
http://www.tao.at/Heimatblog
Wow. Der letzte Absatz vom letzten Comment ist absolut fantastisch.
Genau diese Sehnsucht, scheint es mir, kommt in nahezu jeder Branche hoch. Die gesamte Geschäftswelt sehnt sich nach ursprünglichen Werten. Ich bin weder Marketing- noch Werbemensch und bewege ich daher mich immer auf dunnem Eis, wenn ich mich über Marketing- und Werbethemen äußere, aber genau dieser Wunsch/Bedarf findet sich in allen Lebensbereichen wieder.
Daher finde ich es auch sinnvoll auch außerhalb der Werbekommunikation unsere allgemeine Kommunikation mit Geschichten und Metaphern zu vermenschlichen.
Value = Wert ist Verbrauchers Erwartungen = Qualität = Preis. Value Marketing oder Wertemarketing ist keine Wissenschaft, Technik oder Strategie. Es ist eigentlich das Basiselement eines guten Deals und das schon seit tausenden von Jahren!! A braucht etwas, B hat ein Produkt oder Dienstleistung die A braucht, für einen angemessenen Preis. Der grösste Wert liegt in Win-Win also die Erwartungen sind im Deal auf beiden Seiten getroffen oder übertroffen worden, A ist zufrieden und B ebenfalls.
Weg zum perfekten Value: Gute Kundenkenntnisse; erstklassige, geschulte Verkäufer die Produkt und Käufer zusammenführen können ein Produkt das in einem tadelosen Preis/Leistungverhältniss steht; und eine Firma die 100% hinter ihrem Produkt/Dienstleistung steht und dem Kunden auch nach dem Verkauf den gleichen Wert entgegen bringt.
Das alles mit reinem Gewissen vermarkten zu können ist Value Marketing und führt zweifellos zu Kundenbindung.
Das Unternehmen mit der besten Geschichte gewinnt
Die Herausforderung für den Marketer ist , den Wechselschritt vom „Scientific Managment“zum „Value Mangement“ zu schaffen. Der Unterschied liegt nicht in den Produkten selbst, sondern in der Art und Weise der Kommunikation, die in der Werbung eingesetzt wird. Geschichten erzählen als strategisches Erfolgsmoment wird gefordert. Eine fühlbare Produkt-Story, die emotionale einen den Mehrnutzen und die wichtigsten Kaufargumente des Produktes nicht nur wirksam, sondern auch mit großer Leichtigkeit in den Kopf und das Herz des Kunden transportiert. Eine Produkt- Story lässt sich jedoch nicht einfach erfinden oder kopieren. Diese Stories sind immer auch Ausdruck eines Wertebekenntnisses des Absenders und beinhalten ein Nutzenversprechen, eine Sehnsuchtserfüllung für den Empfänger. Dadurch das Geschichten ein Wertebekenntnis transportieren, vermitteln erstmal ein persönliches Gespür für das Unternehmen, seine Mitarbeiter und seinen Einstellungen, das Unternehmen erhält ein Gesicht. Sie berichten über Ereignisse, nicht über Zustände. und sie beinhalten eine tiefe Beziehung zwischen den Geschehnissen.
…und plötzlich – im vom Elfenbeinturm her ausgerufenen Zeitalter des Storytellings – werden wir nun alle zu Geschichtenerzählern!?
Die Geschichten sind im Raum, in den Köpfen der Leute, im Gedächtnis des Marktes. Es ist wie kosmischer Staub, der sich da und dort – duch entsprechende Kräftefelder – zu Klümpchen und Körper verdichten kann.
Nun gehören wir Alpenländer wahrscheinlich nicht zu den virtuosen Geschichteerzählern – so es sich dann nicht gerade um unsere Eigene Intime handelt. Die Berge zu hoch, die Welt zu klein, das genetische Erbe zu homogen – um Inhalte und Werte beliebig immer wieder virtuos neu zu kombinieren.
Zum Geschichtenerzähler ist man geboren … oder auch nicht. Und wem es nicht liegt, soll es gscheiter bleiben lassen, und weiterhin das tun, was er gut kann: Suppe kochen, Skibügel reichen, Wein ausschenken oder was auch immer. Dann bleibts „authentisch“, stabil, würdig, viel weniger aufgeregt.
Und die Fallgrube der Plattitüde kann noch einmal umgangen werden.
Gruss aus der Schweiz (auch hier Berge!…)
PS: Und Thomas – schön dich hier wieder zu sehen
Und wer glaubt es nicht machen zu können, soll bei mir einen Workshop machen.
Manche schlüpfen gleich in die Haut eines Erzählers und andere brauchen länger, aber Geschichtenerzählen ist ein lernbarer Skill. 🙂